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Interaktive Darstellung der Methode

Legende:
Erläuterungen zu den Bereichen
Die Fragen der Verdichtungsebene und die Antworten aus dem Beispielfall Sascha
Beispielfall Sascha:
Erste Selbstauskunft


BILDUNG
SCHUTZ/SICHERHEIT
ZUGEHÖRIGKEIT
gesellschaftlich
Diese Freiheit ist garantiert durch die Verpflichtung der Gesellschaft, Dich in allen wichtigen Kulturtechniken zu fördern, auf Deine Interessen und Fähigkeiten einzugehen und Dich an allen Bildungsangelegenheiten mitwirken zu lassen. Diese Freiheit ist garantiert durch die gesetzliche und moralische Verpflichtung aller gesellschaftlichen Institutionen, Deine körperliche und seeliche Unverletzlichkeit zu schützen. Die Freiheit ist garantiert durch die Bindung aller gesellschaftlichen Institutionen an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
sozial
Diese Freiheit ist garantiert durch Deinen jederzeitigen und uneingeschänkten Zugang zu allen Institutionen und Personen Deines sozialen Umfeldes, von denen Du etwas lernen kannst. Diese Freiheit wird garantiert durch die Wachsamkeit, den Mut und den Bürgersinn der Menschen in Deiner Nachbarschaft, in den Vereinen und Kirchengemeinden, in den sozialen und kulturellen Institutionen. Diese Freiheit ist garantiert durch Deinen uneingeschränkten Zugang zu allen sozialen, kulturellen und persönlichen Möglichkeiten Deines unmittelbaren Umfeldes.
familiär
Diese Freiheit ist garantiert durch die Fähigkeit und Bereitschaft Deiner Familie, Deine Bildung zu fördern, an Deinem Bildungsfortschritt Anteil zu nehmen und Dir die notwendigen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Diese Freiheit wird garantiert durch die Fähigkeit und Bereitschaft Deiner Familie, Dir jederzeit Kontakte gegenüber Deinen Verwandten und Deinem sozialen und kulturellen Umfeld zu erlauben. Diese Freiheit ist garantiert durch die Bereitschaft Deiner Familie, sich in Deine Verwandtschaft, in Deine Nachbarschaft, in Vereine und soziale und kulturelle Initiativen zu integrieren.
persönlich
Diese Freiheit ist garantiert durch Deine Fähigkeit und Bereitschaft, Dich gegenüber neuen Anforderungen und neuen Erkenntnissen sowie gegenüber neuen Menschen und sozialen Gemeinschaften zu öffnen. Diese Freiheit wird garantiert durch Deine Fähigkeit und Bereitschaft, Deine körperliche und seelische Unversehrtheit aktiv zu schützen und die von anderen Menschen zu respektieren. Diese Freiheit ist garantiert durch Deine Fähigkeit und Bereitschaft, an dem Leben und dem Alltag anderer Menschen Anteil zu nehmen und sich für deren Rechte einzusetzen.
Die Grundlagen der Sozialen Arbeit mit dem Capability-Ansatz
Nach dem Capability-Ansatz ist der demokratische Rechtsstaat von allen Herrschaftsformen am ehesten in der Lage, die Grundbedürfnisse des Menschen zu sichern – auch und gerade bezogen auf die Schaffung und Umsetzung einer geeigneten Sozialpolitik. Eine Sozialpolitik ist dann geeignet, wenn sie die Entwicklung des Menschen fördert. Die Voraussetzung für Entwicklung ist jedoch die Freiheit – ebenso wie die Ausweitung der Freiheit immer das Ergebnis von Entwicklung ist.
"Politische und bürgerliche Rechte geben den Menschen Gelegenheit, ihren generellen Bedürfnissen Gehör zu verschaffen und eine geeignete Sozialpolitik einzuklagen. Oft ergreifen Regierungen (...) nur dann die nötigen Maßnahmen, wenn sie unter Druck gesetzt werden, und dabei kann die Ausübung politischer Rechte, d.h. wählen, kritisieren, protestieren zu können, einen großen Unterschied ausmachen." (A. Sen, Ökonomie für den Menschen, Seite 185)
Die Selbstwirksamkeitsskalen
Der im Folgenden dargestellte Ansatz, die Entwicklung der Verwirklichungschancen und der Handlungsbefähigung über Skalen darzustellen (im weiteren Verlauf der Darstellung verkürzt als Selbstwirksamkeitskalen benannt), geht davon aus, dass der Entwicklungsfortschritt eines jungen Menschen unter dem Einfluss eine Hilfe zur Erziehung daran zu messen ist, ob seine Handlungsfreiheit zugenommen hat. Die Ausweitung der Freiheit ist damit das Ergebnis von Entwicklung. "Die Beurteilung des Fortschritts hat vor allem bezüglich der Frage zu erfolgen, ob die Freiheiten des Menschen zugenommen haben." (A. Sen, Ökonomie für den Menschen, Seite 14) Die hier vorgestellte Methode misst den Entwicklungsfortschritt über das erzielte Maß an zusätzlicher Handlungsfreiheit.
Die Handlungsfreiheit
Jugendhilfe legitimiert sich mit dem Nachweis ihrer Wirksamkeit gegenüber dem leistungsberechtigten Bürger, gegenüber der für die Zuteilung der Ressourcen verantwortlichen Politik und gegenüber der Bevölkerung insgesamt. Um mit einer Hilfe die beabsichtigte Entwicklung zu erzielen, und um die erzielte Entwicklung in einem angemessenen Verhältnis zu den eingesetzten Ressourcen zu erreichen muss die Handlungsfreiheit des jungen Menschen erweitert werden. Das bestehen von Handlungsfreiheit ist damit die Voraussetzung von Entwicklung. "Ob Entwicklung erreicht wurde, hängt primär von der Handlungsfreiheit der Menschen ab" (A. Sen, Ökonomie für den Menschen, Seite 14) Die hier vorgestellte Methode gibt den jungen Menschen in wesentlichen Bereichen des Aushandlungsprozesses zum Hilfeplan die notwendige Handlungsfreiheit.
Die persönliche Verantwortung
Nun bedeutet die Ausweitung der Handlungsfreiheit eines Menschen nicht nur die Ausweitung der materiellen Ressourcen zur Optimierung zum Beispiel des Konsumverhaltens; die Ausweitung der Handlungsfreiheit bedeutet auch nicht die allgemeine Steigerung von Glück, Nutzen, Bequemlichkeit und Zufriedenheit. Handlungsfreiheit bedeutet im Sinne des Capability-Ansatzes für den Menschen insbesondere, sich Gedanken darüber zu machen, für welche Zustände und Tätigkeiten er Gründe hat, sie wertzuschätzen, worauf es ihm im Leben besonders ankommt und für welche Weise zu leben er sich entscheidet. Handlungsfreiheit zu haben bedeutet, dass der Mensch sich entscheidet, und dass er die Verantwortung für seine Entscheidungen übernimmt. Ebenso wie die Entwicklung das Ergebnis von und die Voraussetzung für Freiheit ist, so ist die Freiheit das Ergebnis von und die Voraussetzung für Verantwortung. "Ohne die substanzielle Freiheit und die Verwirklichungschancen, etwas Bestimmtes zu tun, kann jemand auch nicht die Verantwortung tragen, dass er es tut. Wo man jedoch wirklich die Freiheit und die Verwirklichungschancen besitzt, etwas Bestimmtes zu tun, hat man auch die Pflicht, sich zu überlegen, ob man es tun soll oder nicht, und das impliziert persönliche Verantwortung. In diesem Sinne ist Freiheit sowohl die notwendige als auch die hinreichende Bedingung für Verantwortung." (A. Sen, Ökonomie für den Menschen, Seite 337) Die hier vorgestellten Selbstwirksamkeitsskalen sollen sowohl den jungen Menschen als auch den wohlfahrtsprofessionellen Helfer dabei unterstützen, Entscheidungen über die Hilfe zu treffen und diese Entscheidungen im Diskurs zu begründen.
Der Aushandlungsprozess
Der Diskurs wiederum ist gleichfalls das Ergebnis von als auch die Voraussetzung für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. "Politische und bürgerliche Rechte, insbesondere jene, die für die Gewähr öffentlicher Diskussion, für Streitgespräch und Nonkonformismus stehen, sind unerlässlich, um zu sachkundigen und überlegten Entscheidungen zu kommen." (A. Sen, Ökonomie für den Menschen, Seite 188) Der demokratische Rechtsstaat hat per Gesetz bestimmt, dass die Grundlage für die Gewährung einer Sozialleistung nach den §§ 27 ff SGB VIII ein Aushandlungsprozess im Rahmen des Hilfeplanverfahrens nach § 36 SGB VIII ist.

Die Aushandlung der Sozialleistung ist ein elementares Bedürfnisse der Akteure im Hilfeplanverfahren. In ihr drückt sich die eigene Handlungsfreiheit als Person, als Bürger und als Helfer aus (intrinsische Bedeutung):
  • der leistungsberechtigte Bürger ist frei, die Hilfe zu verhandeln, an die er sich gebunden fühlt
  • der leistungsverpflichtete wohlfahrtsprofessionelle Helfer des Sozialen Dienstes ist frei, die Hilfe zu verhandeln, die seinem gesetzlichen Auftrag genügt und die seinem professionellen Selbstverständnis entspricht
  • der wohlfahrtsprofessionelle Helfer der leistungserbringenden Einrichtung ist frei, die Hilfe zu verhandeln, die ihm tatsächlich und nachweislich gelingen kann und mit der er seine Institution erhält
Die Verpflichtung auf den Aushandlungsprozess veranlasst die Akteure zu einem offenen und tabulosen Diskurs (instrumentelle Leistung):
  • der leistungsberechtigte Bürger ist geschützt vor vormundschaftlichem Handeln der wohlfahrtsprofessionellen Helfer und auch vor deren Selbstgefälligkeit und Willkür
  • der leistungsverpflichtete wohlfahrtsprofessionelle Helfer des Sozialen Dienstes ist geschützt vor dem administrativen Durchgriff problemferner Hierarchieebenen
  • der wohlfahrtsprofessionelle Helfer der leistungserbringenden Einrichtung ist geschützt vor der Übernahme unrealistischer, unausgesprochener und verdeckter Aufträge, die das Erbringen einer gelungenen Leistungserbringung gefährden
Das Ergebnis des Diskurses wird im Aushandlungsprozess für alle Akteure qualifiziert (konstruktive Rolle):
  • der leistungsberechtigte Bürger erhandelt die Hilfe, die ihn besser auf die aktuellen Herausforderungen einstellt und die ihn besser auf zukünftige Anforderungen vorbereitet
  • der leistungsverpflichtete wohlfahrtsprofessionelle Helfer des Sozialen Dienstes erhandelt die Hilfe, die er als Fallverantwortlicher vor seinen Kollegen, vor seiner Organisation und vor den kooperierenden Institutionen und Diensten vertreten kann
  • der wohlfahrtsprofessionelle Helfer der leistungserbringenden Einrichtung erhandelt die Hilfe, deren Erbringung er sowohl dem leistungsberechtigten Bürger als auch dem leistungsverpflichteten Jugendamt guten Gewissens zusagen kann
Die Verhandlungsgrundlage
Die Durchführung eines Aushandlungsprozess wird allgemein geregelt über Gesetze, fachliche Regeln, kommunikative Standards und eine grundlegende Moral. Sie schaffen unter den Akteuren des Aushandlungsprozesses ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis. Sie geben den Akteuren Verfahrenssicherheit. Sie binden sie bei der Vertretung und Durchsetzung der jeweiligen rationalen Interessen. Zu den gesetzlichen Bestimmungen wurden oben schon etwas gesagt. Eine grundlegende Moral zu der Arbeit mit dem Capabiliy-Ansatz lässt sich aus dem bisher dargestellten ableiten. Die operative Arbeit mit den Selbstwirksamkeitsskalen, an einem Beispiel dargestellt, finden Sie im nächsten Kapitel.
Die Arbeit mit den Selbstwirksamkeitsskalen am Beispiel der 1. Selbstauskunft von Sascha
Die interaktive Darstellung der Erhebungsmethode zeigt das Ergebnis der 1. Selbstauskunft von Sascha. Die Methode sieht vor, dass die 1. Selbstauskunft von den Sozialen Diensten im Vorfeld des 1. Hilfeplans abgefragt wird. In diesem Beispielfall läuft die Hilfe jedoch schon ein Jahr – und es gibt einen aktuellen Anlass für die Selbstwirksamkeitsabfrage

Sascha ist knapp 15 Jahre alt, und lebt seit fast eineinhalb Jahren in der Wohngruppe unserer Einrichtung. Aktuell hat Sascha gegen die Vereinbarung über die Grundregeln des Zusammenlebens verstoßen. Diese Vereinbarung schließt der Leiter der Einrichtung mit jedem jungen Menschen ab, der über 14 Jahre alt ist, in der Annahme, dass die Ziele des Hilfeplans nur erreicht werden können, wenn die jungen Menschen in der Zusammenarbeit mit den Fachkräften und in dem Zusammenleben mit den übrigen Gruppenmitgliedern ohne Gewalt und ohne Androhung von Gewalt auskommen. Wer dagegen verstößt, wird abgemahnt. Sascha hat dagegen verstoßen. Er war kurz zuvor schon einmal abgemahnt worden, jetzt stand die zweite Abmahnung an. Bei der dritten Abmahnung erfolgt die Suspendierung von der Maßnahme. Es steht dann auch eine Entscheidung darüber an, ob die Maßnahme wirksam ist. Da Sascha zu dem Zeitpunkt nicht besonders kooperativ ist, kann eine dritte Abmahnung nicht ausgeschlossen werden. Die Bezugsbetreuerin und der zuständige Sozialarbeiter treffen sich nun mit Sascha. Sascha füllt die Fragebögen zur Selbstwirksamkeit aus. Abgefragt werden Aussagen zu seiner sozialen Zugehörigkeit, zu seinem Schutz und seiner Sicherheit und zur Bildung. Es ist nicht die Erwartung, dass die Beantwortung dieser Fragen Saschas Selbstwirksamkeitserwartung umfassend für alle Lebensbereiche darstellt, die Antworten bilden nur einen Teilbereich seiner Entwicklung ab. Sie sind Grundlage für die gemeinsame Aussprache zu den zukünftigen Entwicklungsaufgaben.

Unter dem Link finden Sie auf der waagerechten Ebene Erläuterungen zu den Abfragen bezogen auf drei Bereiche (Bildung, Schutz und Sicherheit, Zugehörigkeit). Es sind weitere Bereiche denkbar und machbar, etwa der Bereich Gesundheit. Wenn Sie beabsichtigen, sich über weitere Abfragemöglichkeiten zu informieren, schauen Sie doch einfach in das Capabilities-Set nach Martha Nussbaum oder in das der Universität Bielefeld zur Evaluation des Bundesmodellprogramms Wirkungsorientierte Jugendhilfe. Bedenken Sie aber, dass es nicht notwendig ist, zu allen Capabilities Abfragen durchzuführen. Als Grundlage für den Diskurs reichen drei Bereiche aus.

Unter dem Link finden Sie auf der senkrechten Ebene Erläuterungen zu den Bereichen gesellschaftlich, sozial, familiär und persönlich. Diese Ebenen sollten beibehalten werden. Sie entsprechen weitgehend den entsprechenden Darstellungen aus dem 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung vom Juni 2009. Interessant ist an den Darstellungen im 13. Kinder- und Jugendbericht auch, in welcher Form die Salutogenese, der Capability-Ansatz und die Selbstwirksamkeitstheorie anschlussfähig sind. Ihre aktuelle Auseinandersetzung mit dem Capability-Ansatz und den Selbstwirksamkeitsskalen ist also auch eine Auseinandersetzung mit dem aktuellen fachlichen Diskurs in der Jugendhilfe insgesamt.

Über das Symbol gelangen Sie zu Saschas Antworten auf die gestellten Fragen. Die Grafiken zeigen die Ergebnisse für den jeweiligen Bereich. Wenn Sie eine Grafik anklicken, wird Sie vergrößert dargestellt. Die Grafiken zeigen auf der waagerechten Ebene die Vielzahl der Möglichkeiten, die Sascha bezogen auf die Fragestellungen hat; die senkrechte Ebene zeigt den Grad der Nutzung durch ihn selbst. Wie kann diese Grafik nun gelesen werden?

Es wird im Rahmen dieser schematischen Darstellung davon ausgegangen, dass mit dem Umfang der Möglichkeiten und dem Grad der Nutzung dieser Möglichkeiten Saschas Selbstwirksamkeitserwartung steigt. Ob das tatsächlich zutrifft, kann im Diskurs dazu mit ihm besprochen werden.

Es wird auch davon ausgegangen, dass es wesentliche Aufgabe der wohlfahrtsprofessionellen Helfer ist, Saschas Möglichkeiten zu erweitern. Unter dem Einfluss der Hilfe sollte Sascha schon eine entsprechende Ausweitung melden. In der Regel wird die leistungserbringende Einrichtung für die Schaffung dieser zusätzlichen Möglichkeiten verantwortlich sein. Über die notwendigen Maßnahmen und Methoden sollte im Diskurs Einverständnis hergestellt werden.

Schließlich wird davon ausgegangen, dass Sascha für die Nutzung dieser Möglichkeiten verantwortlich ist. Nutzt er Möglichkeiten konsequent nicht, ist dieses zumindest ein Hinweis darauf, dass die Maßnahme nicht geeignet ist. Darüber sollte im Diskurs mit ihm geredet werden.


Der Diskurs zu dieser 1. Selbstauskunft kommt zu folgendem Ergebnis:
1. Es wird davon ausgegangen, dass der junge Mensch Träger von Grundrechten und autonomes Rechtssubjekt ist. Die Kinder- und Jugendhilfe hat zu gewährleisten, dass der junge Mensch seine Grundrechte in Anspruch nehmen kann. Die Selbstwirksamkeitstheorie sieht in der erlebten Autonomie eine entscheidende Einflussgröße auf die Selbstwirksamkeitserwartung. Nicht erlebte Autonomie führt zu Ohnmachtsgefühlen, zu Hilflosigkeit, zu Fatalismus und zur Geringschätzung der eigenen Kompetenz. Die Fragen sowie die einzelnen Antworten finden Sie hier: www.guido-osterndorff.de/bsg und in der interaktiven Darstellung (sie werden zusammengefasst unter dem Begriff: gesellschaftlich)



Im Bereich Zugehörigkeit meldet Sascha, dass er alle Möglichkeiten hat, an der Gestaltung der Hilfe mitzuwirken, und dass er diese Möglichkeiten uneingeschränkt nutzt. Er erreicht den höchstmöglichen Wert. Seine Selbstwirksamkeitserwartung bezogen auf den Umgang mit wohlfahrtsprofessionellen Helfern ist hoch. Hier wirkt sich seine langjährige Erfahrung im Umgang mit Helfern aus. Er geht auch davon aus, dass er am Ende das erreicht, was er will. Die Fachkräfte teilen diese Einschätzung. Sascha wirkt kompetent, kommunikativ – aber auch fordernd und zuweilen auch herausfordernd.
Im Bereich Schutz und Sicherheit meldet Sascha, dass er seine körperliche und seelische Integrität unter gezieltem und selektivem Einsatz von Vertrauenspersonen aus seinem sozialen Umfeld sicherstellen kann. Er verfügt in diesem Bereich über eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung. Wenn er jemanden braucht, wird er auch jemanden finden. Die Fachkräfte teilen diese Einschätzung.
Sascha meldet bezogen auf Bildung und Schule eine niedrige Selbstwirksamkeitserwartung. Die wenigen Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, nutzt er kaum. Die Fachkräfte teilen seine Einschätzung. Sascha ist praktisch seit zwei Jahren ausgeschult. Davor gab es mehrere Versuche, ihn über Ordnungsmaßnahmen der Schule und über schulische Integrationsmaßnahmen an den Schulbesuch heranzuführen. Er beteiligt sich aufgeschlossen an den Gesprächen mit der Verwaltung über seine schulische Zukunft – er geht aber nicht zur Schule – und wenn, dann hat er Konflikte mit den Lehrern im Unterricht und mit Schülern auf dem Pausenhof. Die Fachkräfte erörtern mit Sascha die Unterbringung in einer auswärtigen Einrichtung mit Beschulung.


2. Die Selbstwirksamkeitstheorie geht davon aus, dass Selbstwirksamkeitskompetenzen immer im sozialen Zusammenhang erworben werden – von Menschen, die auf vielfache Weise miteinander kommunizieren, interagieren und zusammenarbeiten um ihre Lebenssituation zu gestalten. Die Fragen sowie die einzelnen Antworten finden Sie hier: www.guido-osterndorff.de/bss und in der interaktiven Darstellung (sie werden zusammengefasst unter dem Begriff: sozial)



Sascha meldet bezogen auf die Zugehörigkeit, dass seine Familie zwar relativ gut sozial eingebettet ist, dass seine Selbstwirksamkeitserwartung bezogen auf die Inanspruchnahme dieses Netzwerkes aber eher gering ist. Die Fachkräfte teilen diese Einschätzung nicht. Sie gehen davon aus, dass die Familie nur über ein unzureichendes soziales Netzwerk verfügt, und dass Sascha aus Loyalität gegenüber seiner Familie Möglichkeiten meldet, die es tatsächlich nicht gibt.
Bezogen auf Schutz und Sicherheit meldet Sascha, dass er alle Möglichkeiten hat, auf Menschen in seinem sozialen Umfeld zurückgreifen zu können, wenn er in einer schwierigen Situation ist. Er meldet eine gute Selbstwirksamkeitserwartung in diesem Bereich, weil er die Möglichkeiten auch zu einem guten Teil nutzt. Die Fachkräfte teilen diese Einschätzung nicht. Im Rahmen des Verfahrens zur Abmahnung (wegen des Verstoßes gegen die Grundregeln des Zusammenlebens) wurden mit Sascha Beurlaubungsmöglichkeiten für eine Auszeit geprüft, um weitere Eskalationen in der Gruppe zu vermeiden. Sascha hatte keine entsprechenden Ressourcen. Die Fachkräfte besprechen mit Sascha die Möglichkeit, eine Gast- und Patenfamilie für ihn zu finden.
Im Bereich Bildung meldet Sascha eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung bezogen auf die Auseinandersetzungen mit Anregungen aus seinem sozialen Umfeld. Die Fachkräfte sehen keine Notwendigkeit, diese Einschätzung zu relativieren. Sie nehmen Sascha beim Wort und besprechen mit ihm weitere Möglichkeiten der Einbindung in den Stadtteil.


3. Als eine besondere Form der sozialen Nahraumbeziehungen werden die jungen Menschen zu den Möglichkeiten befragt, die ihnen an ihrem primären Lebensort zur Entwicklung von Fähigkeiten zur Verfügung gestellt werden. Das ist in der Regel die Familie. Im Fall einer stationären Unterbringung ist es der Ort, an dem der junge Mensch seinen Alltag lebt. Hier erlebt er Gemeinschaft und Nähe, aber auch Rückzug und Intimität. Hier lebt er einen gelingenden Alltag mit Ruhephasen und gemeinschaftlichen Aktivitäten. Hier stehen ihm alle Grundgüter im Bereich der Gesundheit, der Hygiene, der Bekleidung und der Verpflegung zur Verfügung. Hier ist er eingebunden in ein Normen- und Wertesystem. Nach der Selbstwirksamkeitstheorie ist es die Familie, in der die jungen Menschen ihre physischen, kognitiven, sozialen und sprachlichen Fähigkeiten erlernen und ausbauen. Die Fragen sowie die einzelnen Antworten finden Sie hier: www.guido-osterndorff.de/bsf und in der interaktiven Darstellung (sie werden zusammengefasst unter dem Begriff: familiär):



Sascha meldet im Bereich Zugehörigkeit, dass er Möglichkeiten hat, das engere Netzwerk seiner Familie zu nutzen. Er meldet allerdings auch, dass er diese Möglichkeiten nicht umfassend nutzt. Die Fachkräfte teilen diese Einschätzung; sie setzen sich aber mit Sascha darüber auseinander, wie er diese Möglichkeiten zukünftig stärker einbinden kann.
Sascha meldet, dass das Angebot der Wohngruppenbetreuung ihm im Bereich von Schutz und Sicherheit alle Möglichkeiten bietet, dass er sie jedoch nicht nutzt. Das Leben in einer Wohngruppe stärkt seine Selbstwirksamkeitserwartung nicht. Die Fachkräfte teilen diese Einschätzung. In der Auseinandersetzung mit Sascha stellen sie diese Betreuungsform in Frage.
Im Bereich der Bildung meldet Sascha, dass die Wohngruppenbetreuung seine Selbstwirksamkeitserwartung bezogen auf die Schule nicht stärkt. Die Fachkräfte folgen dieser Einschätzung. Auch in diesem Punkt stellen sie in der Diskussion mit Sascha diese Betreuungsform in Frage.


4. "Nach der Selbstwirksamkeitstheorie werden die auf den verschiedenen Ebenen erworbenen Selbstwirksamkeitserwartungen kognitiv miteinander verknüpft und zu einem dynamischen und wechselseitigen Prozess zu einer allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung generalisiert und transferiert. Es entwickelt sich die Fähigkeit zur Selbstregulation; so können zum Beispiel Bedürfnisse aufgeschoben und es können Handlungsschritte systematisch geplant werden. Dieser dynamische Prozess kann auch als Persönlichkeitsentfaltung bezeichnet werden. Von Persönlichkeitsentfaltung wird dann gesprochen, wenn es einem jungen Menschen gelingt, seine allgemeinen Überzeugungen zu konkretisieren und für die Bewältigung von Anforderungen einzusetzen." (Satow, Lars, Klassenklima und Selbstwirksamkeitsentwicklung, Dissertation am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin, 1999, 34)

Die Fragen sowie die einzelnen Antworten finden Sie hier: www.guido-osterndorff.de/bsp und in der interaktiven Darstellung (sie werden zusammengefasst unter dem Begriff: persönlich):



Sascha meldet im Bereich der Zugehörigkeit eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung bezogen auf seine Fähigkeit, soziale Situationen zu kontrollieren und seine Angelegenheiten selbst bestimmen zu können. Diese Einschätzung wird von den Fachkräften geteilt. Die Fähigkeit, Entscheidungen hinzunehmen, die nicht verhandelbar sind, fehlt auch nach Einschätzung der Fachkräfte. Sie suchen mit Sascha die Aussprache dazu, dass diese fehlende Fähigkeit zu Problemen führen wird, wenn demnächst seine Straftaten bezogen auf Körperverletzung vor dem Jugendgericht verhandelt werden.
Im Bereich von Schutz und Sicherheit hat Sascha eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung bezogen darauf, dass er seine körperliche und seelische Integrität sichern kann. Dieser Einschätzung folgen die Fachkräfte. Sie suchen mit Sascha die Aussprache dazu, dass er den Schutz und die Sicherheit einer Wohngruppe nicht benötigt, und dass er trotz seines relativ jungen Alters auch ambulant betreut werden könnte.
Im Bereich Bildung ist Saschas Selbstwirksamkeitserwartung bezogen auf den Schulbesuch niedrig. Die Fähigkeiten, die er hat, nutzt er nicht. Diese Einschätzung wird von den Fachkräften geteilt. Sie besprechen mit Sascha die Möglichkeit einer auswärtigen Unterbringung in einer Einrichtung mit Beschulung.


Der Diskurs führt zur Festlegung einer Entwicklungsaufgabe durch die Fachkraft des Sozialen Dienstes. Dazu werden entsprechende Eingaben in die Selbstwirksamkeitsskalen gemacht. Das Ergebnis stellt den zukünftigen SOLL-Zustand dar. Durch eine weitere Selbstauskunft am Ende des Planungszeitraum wird ein SOLL/IST-Vergleich angestellt und in den Diskurs eingebracht.
Die Arbeit mit Blanko-Selbstwirksamkeitsskalen
Wenn Sie eine Abfrage durchführen, hat es sich als nützlich erwiesen, kommunikationsfördernde Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Jugendliche benötigen häufig keine Unterstützung bei der Beantwortung der Fragen. Sie können unbefangen mit Abfragen und digitalen Medien umgehen. Das Ergebnis sollte jedoch gemeinsam eingeschätzt werden. Wenden Sie dabei die üblichen konstruktiven, nondirektiven und wertschätzenden Gesprächsführungsmethoden an. Sollten in Ihrer Organisation weitere (expertokratische) Methoden der sozialpädagogischen Diagnostik angewendet werden, sollte im Vorfeld darauf geachtet werden, ob sie im Widerspruch stehen zu dieser partizipativen Form der Abfrage. Andere Methode wie partizipativ erstellte Genogramme, Netzwerkkarten, Ressourcenkarten, Zeitleisten usw. vertragen sich nicht nur mit der vorgestellten Methode – sie ergänzen sie.
Die Aggregation von Einzelabfragen
Es wird zur Zeit daran gearbeitet, die einzelnen Selbstauskünfte oder auch die Entwicklungsaufgaben nach vorgegebenen Kriterien auszuwerten.
© 2007-2012 Guido Osterndorff